Stolpe

Die Anfänge von Stolpe

Der Name Der Ortsname Stolpe Stolpe-Dörfer in Transalbien

Rechts: Die Lage der transalbischen Stolpe-Dörfer auf   deutschem Boden:  

 

 

Der Ortsname Stolpe findet sich fast ausschließlich im mecklenburgisch-pommerschen und brandenburgischen Raum, mit den zwei Ausnahmen Stolpe in Schleswig-Holstein und Stolpen in Sachsen. Alle Stolpe befinden/befanden sich östlich der Elbe (transalbisch). Stolpe gehört neben Werder und Neuendorf zu den häufigsten ostdeutschen Ortnamen. Die einzelnen Stolpe sind:

In Transalbien:
Ztulp (wüst) 1186 Ztulp an der Warnow
10... Stolpe 1299 gegründet in Berlin-Wannsee am Stölpchenseeufer
14947 Stülpe 1221 Stolp Gemeinde Nuthe-Urstromtal
16278 Stolpe  1251 erwähnt, Burg um 1160 an der Oder bei Angermünde,
16540 Stolpe   Landkreis OHV
16866 Stolpe   OT von Kyritz, am Obersee
17237 Stolpe   bei Möllenbeck im Landkreis Mecklenburg-Strelitz
17391 Stolpe  1153 Benediktinerkloster an der Peene bei Anklam
17406 Stolpe auf Usedom  1218 Stolp  
19372 Stolpe 1274 Stolp Landkreis Parchim in M-V
Stolp (wüst) 1299 Stolp heute Himmelpfort, vgl. Stolpsee
Stolpe in der Prignitz (wüst)   westlich von Meyenburg, nördlich von Krempendorf
24601 Stolpe vor 1200 Amt Wankendorf, LK Plön
01833 Stolpen 1218 Stulpen einziger Fall, wo mit "Stolpe" Säulen, nämlich die dortigen Basaltsäulen, gemeint sind.
In Pommern und Ostpreußen:
Stolpe, polnisch slupnia   pommerscher Fluß
Stolp in Pommern, polnisch Slupsk,  1240 erstmals erwähnt  
Stolpen,    Gutsbezirk bei Allenstein,

Dazu kommen noch zwei wüste bei Seehof und Dwarsdorf auf der Insel Rügen, sowie noch jeweils ein Stölpchen im ehem. Landkreis Königsberg (Neumark) und nahe Großenhain bei Dresden. Nicht alle Orte müssen ursprünglich sein (es gab auch Ortsverlagerungen und Mitnahmen vom Ortsnamen). Wer Stolpe westlich von St. Louis, Missouri gegründet hat, wird wohl vorerst ein Geheimnis bleiben...

Stolpe ist außerdem ein in Deutschland und besonders in Schweden verbreiteter Familienname. 

   
Etymologie

Germanische Herkunft:

Das Wort Stolpe wird noch heute im Schwedischen verwendet, wo es im Bauwesen die senkrechten Balken eines Fachwerkhauses bezeichnet oder zum Beispiel auch einen Hochspannungsmast. Allgemein hat es die Bedeutung von Säule, Pfosten oder Pfahl.  Stolpe wäre also ein Ort, dessen Häuser aus einer einfachen Art Fachwerk bestanden. Das entspricht der germanischen Bauweise. Die Slawen waren Meister der Holzbearbeitung; ihre Häuser waren meist als Blockhaus ausgeführt. Möglich ist auch, daß eine Umzäunung gemeint war. Das Wort "Stall" ist ebenfalls verwandt.

Slawische Herkunft:

Im den hier seit dem 7. bis etwa ins 15. Jahrhundert gesprochenen slawischen Sprachen hat Stolpe mehrere Bedeutungen:

  • "stobly" bedeutet soviel wie Halm (vergleiche Stoppel. Stoppelfeld). Stolpe könnte also eins der wenigen slawischen Dörfer gewesen sein, die Ackerbau betrieben. 

  • Die bekannteste Theorie, letztlich aber doch nur eine von vielen, ist, daß Stolpe "Säule" bedeuten sollte, was auf ein slawisches Heiligtum hinwiese. In der Bedeutung Säule kann es sich aber auch um ein germanisches Lehnwort handeln, was die Heiligtumstheorie widerlegen würde. Allerdings ist auch eine gemeinindoeuropäische Herkunft möglich.

  • Im Kaschubischen (Nordostpolen) bedeutet Stolp wiederum eine Fischfangeinrichtung (Reuse), womit Stolpe einst ein Fischerdorf gewesen sein könnte. In diesem Fall würde die Bedeutung der germanischen (Pfahl) nahekommen. Die Sprachen unterschieden sich danals noch nicht so deutlich voneinander.

  • Stolpe kann ebenfall "Stufe" bedeuten. Mindestens jedes zweite Stolpe liegt tatsächlich unter- oder oberhalb eines Steilhangs. 

Die Ähnlichkeiten zwischen germanischen und slawischen Herleitungen macht das Erkennen der ursprünglichen Bedeutung schwer. Trotzdem scheint sich die Forschung recht einig zu sein: "Stolp (altsl. stlŭpŭ, russ. stolp, poln. słup Säule, Fischständer im Fluß, Vorrichtung zum Fischfang, "gurgustium" A) adj. §. 21: 'Ort, damit versehen'." Das lateinische Wort gurgustium kann dabei leicht in die irre führen, da es verschiedene Bedeutungen hat, zu denen aber auch "Fischkasten", "Widerhakenreihe" und "Fischspeer" gehören. Das Wort leitet sich tatsächlich von "gurgeln" ab; es handelt sich also um eine Einrichtung, die sich an einer Stelle befand, "wo das Wasser gurgelte", also stark strömte. Nicht alle Stolpes liegen heute an einem Gewässer, so wie nicht alle an einem Steilhang liegen. Aber es deutet doch alles auf ein Fischerdorf hin. Möglich ist, daß zum Zwecke des Fischfangs hier Flüsse (Bäche, Gräben) mit einer Reuse oder einem Gitter abgesperrt wurden. Diese "Siebe" wurden noch bis ins 20. Jahrhundert benutzt (siehe die verschiedenen "Siebgräben" im Glin). Die Fische, die sich vor der Reuse angesammelt hatten, wurden dann geangelt oder auch mit einem Speer erlegt. 

Sicher ist, daß die meisten Stolpe-Dörfer zum Zeitpunkt der deutschen Ostexpansion bereits bestehende slawische Dörfer mit einer gewissen Bedeutung waren. Das läßt sich auch aus den meist sehr frühen Erwähnungen (12. bis frühes 13. Jahrhundert, Stolpe-Dorf bildet eine Ausnahme) schließen. Worin diese Bedeutung bestand, ob sie strategischer, wirtschaftlicher oder religiöser Natur war, bleibt vorerst unklar. Da sich fast kein Stolpe zu einer Stadt entwickelte, müssen die Ursachen für die Bedeutung aber mit der Übernahme durch die deutschen Siedler weggefallen sein. Die Aufgabe des Fischfangs zugunsten der Landwirtschaft ist da naheliegend.

   
Besiedlung

Die slawische Mittelmark wurde Mitte des 12. Jahrhunderts aus zwei Richtungen deutsch erobert bzw. besiedelt: 1147 fand der Wendenkreuzzug statt, der sich von Havelberg über die Prignitz bis etwa Demmin in Mecklenburg zog. In dessen Folge ist mit deutschen Siedlern in Ruppin und auf der fast siedlungsleeren Granseer Platte zu rechnen. Ein Zweig überquerte vermutlich bei Fehrbellin das Luch und erreichte etwa zwischen 1150 und 1160 Bötzow, das heutige Oranienburg. Die zweite Expansionswelle erreichte nur wenig später über Brandenburg den Spandauer Raum. Das Spandauer Einflußgebiet reichte im Norden bis Niederneuendorf und Heiligensee. 

Die Deutschen erreichten von Spandau aus schnell die slawischen Dörfer Lietzow (Charlottenburg) und Berlin und gründeten in seiner Nachbarschaft Cölln. Weiter kamen sie aber vorerst nicht, da bereits das slawische Köpenick sich mit Unterstützung der Wettiner gegen eine Eroberung wehrte. Große Teile des Barnim standen unter wettinschem Einfluß, weswegen erst nach der askanischen Sicherung der barnimschen Nordflanke (um 1200, Oderberg 1214) mit einer Übernahme Stolpes durch einen deutschen Ritter oder Adligen zu rechnen ist. Ob es sich um den erwähnten Beringer, um die von Hoppenrade oder um noch andere handelt, ist vorerst ungeklärt. Daß die deutsche Besiedlung von Süden her erfolgte, kann als sicher gelten. Die ersten Planwagen kamen wohl von Heiligensee auf einem Weg, der sich am östlichen Rand der Havelwiesen schlängelte (Schwarzer Weg). Zu dieser Zeit gab es weder Hennigsdorf noch einen Havelübergang an dieser Stelle. Wer von Spandau aus zur Burg von Bötzow (Oranienburg) wollte, benutzte die Niederneuendorfer Fähre. Der Havelübergang in Pinnow entstand erst später.

   
Die Lage Die ursprüngliche Lage Stolpes  

In der ältesten Erwähnung Stolpes 1355 wird das Dorf als "Stolpe an der Havel" bezeichnet. Ein angesichts der Entfernung von gut 2 km Luftlinie ein etwas irritierender Begriff. Es gab auch kein zweites Stolpe in der Nähe, was diesen Zusatz notwendig machte. Es ist daher anzunehmen, daß Stolpe einst wirklich an der Havel lag. Solche Ortslagenveränderungen sind in der Frühzeit der deutschen Ostexpansion nicht selten gewesen. Die Burg von Birkenwerder lag einst an der Havel, ebenfalls der oder ein slawischer Vorläufer von Hohen Neuendorf an der späteren Havelbaude und auf dem Kleeßenberg, der ursprünglich ebenso wie der Stolper Werder eine Insel war. Hochflächen wurden von den Slawen meist gemieden, da sie den dort schweren Boden mit ihren Holzpflügen nicht bearbeiten konnten - sofern sie überhaupt Ackerbau betrieben.

Bild rechts: Die Karte zeigt das in späteren Jahrhunderten stark veränderte Gebiet zwischen der Havel bei Hohenschöpping und dem östlichen Waldrand. Das Oval des Stolper Werders mit einer Höhe von etwa 1,5m über dem Havelniveau (31,5m) ist deutlich zu erkennen. Der Zugang zum trockenen Land östlich der Havelwiesen erfolgte ursprünglich wohl über eine Brücke, später über einen Damm am Südende der Insel, wo heute noch der Weg verläuft. Hier lag vermutlich das alte Stolpe.

 Zur Insellage würde auch die Ortsnamendeutung als Fischerdorf passen. Bereits um 1200 ist in Spandau mit einer Wassermühle (im 13. Jahrhundert belegt) zu rechnen, die die Havel kilometerweit anstaute. Der Werder wäre dadurch versumpft oder zumindest unbewohnbar geworden. Vermutlich fand die Umsiedlung zwischen 1220 und 1250 unter Mitwirkung deutscher Siedler statt, die fruchtbaren schweren Boden bevorzugten, der sich im Sumpf und Sand der Havelniederung nicht fand, und letzten Endes auch für die Dorfform als Angerdorf verantwortlich waren. Diese frühe Umsiedlung wird auch der Grund sein, warum Stolpe einst eine ausgesprochen große Gemarkung hatte: an Dörfer wie Hohen Neuendorf, Bergfelde, Glienicke, Hermsdorf usw. war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken. Deren Gründung folgte erst mit der  zweiten askanischen Siedlungswelle in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Da der slawische Name von den deutschen Siedlern übernommen wurde, ist damit zu rechnen, daß Slawen einen Großteil der Bauern ausmachten, die am neuen Standort des Dorfes eine Hofstelle und Land zugewiesen bekamen. Slawen waren damals den Deutschen gleichgestellt. Eine dringende Notwendigkeit, denn die Organisierung der deutschen Ostsiedlung kam nur langsam in Gang. Um 1230 ist dann mit den ersten rein deutschen Gründungen, wie Schönhorn und Schönfließ zu rechnen. 

Der Stolper Werder ist praktisch nicht mehr vorhanden. Der Südteil wurde durch Straßenbefestigung und im Zusammenhang mit dem Betrieb der Werder Ziegelei schon seit dem 17. Jahrhundert stark verändert. Die Nordhälfte ist unter Archäologen als "Fundstelle Nr. 1 Stolpe" bekannt und barg eisenzeitliche und slawische Bodenfunde. Um 1980 wurde der Autobahndamm darüber aufgeschüttet. Die wenigen Reste des Werder wurden in den folgenden Jahren vom Wasserwerk planiert, um Überschwemmungsareale für die Gewinnung uferfiltrierten Trinkwassers zu schaffen. Der größte Teil ist eingezäunt und nicht betretbar. 

   
Die Größe

Das zu Stolpe gehörende Gebiet war von relativ großer Ausdehnung. Möglicherweise bildete es sogar früher eine eigene slawische Herrschaft. Die ersten deutschen Besitzverhältnisse lassen jedenfalls keine Abhängigkeiten zu Spandau oder Birkenwerder oder Oranienburg erkennen. Stolpe hatte nach bisherigen Erkenntnissen weder eine Burg noch ein Kloster zu versorgen. 

Die Westgrenze bildeten die sumpfigen Niederungen westlich der Havel bis zur Muhre (erst an den Hängen des Glin begann wieder Siedlungsgebiet). Im Norden grenzte Stolpe an der Burgbereich Birkenwerder (slawischer Name unbekannt), im Süden an den Burgbereich Spandau, der bis nach (Nieder-)Neuendorf und ab 1200 bis Heiligensee reichte. Die Ostgrenze bildeten undurchdringliche Wälder, die erst durch deutsche Siedler gerodet wurden. In geschichtlicher Zeit bildete das Bieselfließ die Grenze zwischen Stolpe und Schönfließ. Stolpe hatte also ursprünglich eine Flächenausdehnung von etwa 35 bis 40 qkm. 

Auf dem Stolper Land und östlich angrenzend entstanden die Dörfer Schönhorn (früh wüst geworden, vermutlich gegenüber von Hennigsdorf), Zerndorf (ebenfalls früh wüst, bestand aber als Vorwerk noch bis Ende des Zweiten Weltkrieges), Glienicke (gegründet vermutlich durch Siedler aus Groß Glienicke bei Potsdam) und Schönfließ. Hohen Neuendorf und Bergfelde gehörten zum Einflußbereich der Birkenwerder Burg bzw. später Verwaltung (vergleiche Birken-werder und Birken-feld!). Die Trennung von Hohen Neuendorf und Stolpe bestand über viele Jahrhunderte bis in die Neuzeit. 

   
Die Kirche

Von einigen wird die Feldsteinkirche auf Mitte des 13. Jahrhunderts datiert. Leider läßt sich diese Annahme nicht belegen. Die Verwendung von Feldsteinen ist kein Beweis für eine besonders frühe Bauzeit; sie resultierte oft nur aus der Tatsache, daß eine Backsteinherstellung zu teuer oder zu aufwendig war. Andere Quellen geben das 14. Jahrhundert als Bauzeit an. Der vermutlich zur Zeit des Turmbaus zugemauerte Südeingang des Kirchenschiffs hat bereits gotische Form, was eher auf das frühe 14. Jahrhundert weist.

Auffällig ist, daß die Stolper Kirche nicht, wie in Angerdörfern üblich, in der Mitte des Dorfangers steht. Das Kirchengrundstück steht einfach mitten in der Reihe der Bauernhöfe, wenn auch weiter von der Straße. Was zu dieser Verdrängung geführt hat, ist unbekannt. Allerdings ist die Breite des Angers auch für die Größe der Kirche nicht ausreichend. Eine Kirche steht in fast allen Dörfern in Ost-West-Richtung, demzufolge muß bei Nord-Süd ausgerichteten Dörfern der Anger entsprechend breit sein. In Schönfließ wurde das berücksichtigt. Hat Stolpe bereits eine kleine Kirche auf dem Anger gehabt, die nach Fertigstellung des Feldsteinbaus abgerissen wurde? Hatte sich der Baugrund auf dem Dorfanger als untauglich erwiesen? Möglich ist auch, daß die ersten Siedler Stolpe in Ost-West-Richtung anlegten, im Bereich Waldstraße-Adolf-Herrmann-Straße, und in dieser Flucht auch die Kirche bauten. Immerhin kamen sie von der Havel, und die nächste Dorfgründung Schönfließ liegt östlich. Auch ist mit einer Nord-Süd-Straßenverbindung vor 1250 kaum zu rechnen. Interessanterweise würde die nach Osten verlängerte Waldstraße südlich der Kirche weiterführen. Als man sich wenige Jahrzehnte später auf Grund des Zustroms weiterer Siedler für die heute noch bestehende Nord-Süd-Anlage entschied, waren die Lehmhäuser schnell abgerissen, die Kirche aber mußte bleiben, wo sie war. Das ist natürlich Spekulation; bis jetzt wird diese Theorie nicht durch Funde oder Akten unterstützt. 

Das Feldsteinmauerwerk der Kirche deutet auf mindestens zwei Bauperioden, die möglicherweise Jahrzehnte auseinanderlagen. Das linke Bild zeigt den mittleren Teil der Südwand. Deutlich ist zu sehen, daß rechts mit sauber (an fünf Seiten behauenen) quaderförmigen Feldsteinen gemauert wurde, links dagegen oft mit nur an 2 oder 3 Seiten behauenen. Zwischen beiden Mauern verläuft ein dünner, aber sichtbarer Riß (etwa entlang der weißen Linie). Die Forschung ist sich recht einig darüber, daß sauber behauene Feldsteine einer früheren Periode zuzuordnen sind.

Diese fast "vollendete" Mauerweise wurde von einer Bauhütte ausgeführt. Die Baumeister kamen vermutlich aus der Altmark, wo noch heute viele Feldsteinkirchen existieren. Eine Bauhütte mußte man sich aber auch leisten könnten. Manche Dörfer bauten daher lieber gleich Fachwerkkirchen - eine Bauweise, die ihnen bekannt war - bei anderen reichte es nur für eine kleine Kirche. Mit einer solchen haben wir es vermutlich in Stolpe zu tun. Feldsteinkirchen wurden Schicht für Schicht hochgezogen. Nach Abbinden des Kalkmörtels machte man sich an die nächste Schicht. Daher kann man mit Sicherheit sagen, daß die Kirche mit der besseren Ausführung bereits vollendet war. Möglicherweise erst nach einigen Jahrzehnten - und dem großenteils vergessenen Wissen um die Technik des Feldsteinbaus - wurde die Kirche nach Westen erweitert. Eine Erweiterung nach Westen ist bei Kirchen ohne Turm üblich, so bleibt der heiligste Teil, der Altarbereich, unangetastet. Nur wenn ein Westturm vorhanden ist, muß man notgedrungen nach Osten erweitern. In Stolpe wurde also die Westwand sauber abgebrochen, die Steine vermutlich sogar gekennzeichnet (anders kann man sich die Doppelschicht kleiner Quader an der Nordwand kaum erklären) und die Ecksteine nach Westen versetzt. 

Folgt man dieser Theorie (mehr ist es leider bisher nicht), so kommt man auch zu einer naheliegenderen Datierung. So könnte der östliche Teil der Kirche tatsächlich um 1250 errichtet worden sein. Der westliche Anbau könnte dann zwischen 1280 und 1350 gefolgt sein. Um diese Zeit konnte man bei dem backsteingefaßten Priestereingang auch schon gotische Formen erwarten. Da die Backsteine sicher nicht vor Ort gefertigt wurden, müßte man zur zeitlichen Eingrenzung eine datierbare Stelle finden, wo ähnliche Steine vermauert wurde. Am wahrscheinlichsten erscheint dafür zur Zeit Spandau.
Der Turm wurde nach vorliegenden Unterlagen 1822 an die Westseite des alten Feldsteinbaus angefügt. Diese Jahresangabe ist allerdings mit dem Baustil (Barock) des Turm nicht in Einklang zu bringen. Kirchliche Barockbauten, die dem Stolper Kirchturm (nicht der Spitze!) ähneln, finden sich z. B. in Heiligensee (1761), Klosterfelde (1742) oder Schönwalde/Glin (1734-37). Also durchweg 60 bis 90 Jahre früher. Es ist also damit zu rechnen, daß das Aussehen des Kirchturms an einen anderen absichtlich angelehnt und sozusagen im historisierenden Stil entworfen wurde. Die für eine Kirchturmspitze ungewöhnliche Kombination von Stern und Krone findet sich tatsächlich noch einmal wieder, und zwar an der ehemaligen Garnisonkirche in Potsdam (1732-1735, 1945 zerstört). Es ist also wahrscheinlich, daß die Sympathie des Stolper Gutsbesitzers zum Königshaus sich in einer Anlehnung an die Potsdamer Garnisonkirche niederschlug. Als braver Untertan wählte er natürlich eine wesentlich geringere Höhe, dafür wurde der Turm mit einer langgezogenen "dorftypischen" Spitze versehen. Ganz verleugnen ließ sich das vergangene halbe Jahrhundert seit den letzten reinen Barockbauten nicht: man hat in Stolpe auf einigen Schnickschnack verzichtet und klassizistische Einflüsse werden sichtbar. Der Turm läßt sogar ein bißchen Neugotik durchschimmern, ein Stil, der 30 Jahre später die brandenburgische Kirchenlandschaft weithin verändern sollte (Schönfließ, Pinnow, Mühlenbeck, Hennigsdorf vor der Zerstörung u. v. a. m.). Die anderen, oben genannten Dorfkirchen im Barockstil sind übrigens meist deutlich massiver und breiter gebaut, nicht so elegant und schlank wie der Stolper Kirchturm.

Vergleich des oberen Turmteils der Garnisonkirche mit dem der Dorfkirche in Stolpe. Die Garnisonkirche bestand aus mehreren der abgebildeten Etagen und wirkte daher schlanker als auf der Abbildung, wo nur die oberste Etage gezeigt wird. In Stolpe wird der Eindruck der Schlankheit durch die Turmspitze erreicht (man stelle sich die Kirche ohne das spitze Dach vor!).

  Chronik   weiter 1355 bis 1648